“Es ist wichtig, ein Teamplayer zu sein”
27. September 2020Sie haben seit April 2019 die Professur für Methoden der empirischen Sozialforschung an der TU Dresden inne. Welche Aspekte gefallen Ihnen an Ihrem Beruf am besten?
Das Tolle an meinem Beruf ist, dass ich mein Fachgebiet ganz frei gestalten und ihm an der Universität Dresden ein Gesicht geben kann. Die Freiheit, in Forschung und Lehre zu machen, was einen interessiert, gefällt mir besonders gut. Ich kann meine Forschungsagenda, meine Ziele und Visionen formulieren, und diese auch eigenständig umsetzen – kurz-, mittel- und langfristig. Das sind Aspekte, die diesen Beruf für mich persönlich besonders attraktiv machen.
Welche Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig, um eine gute Professorin zu sein?
Zum einen sind Führungseigenschaften und Eigenverantwortung sehr wichtig. Sie sind schließlich für Ihr Fach und dessen Ausgestaltung verantwortlich. Zum anderen sollte man gerne frei, kreativ und schöpferisch tätig sein wollen. Zentral ist natürlich auch, eine große Leidenschaft für Forschung und Lehre mitzubringen. Die Wissenschaft ist für mich weniger ein Beruf, sondern vielmehr ein Hobby, das ich (professionell) pflege. Außerdem habe ich gelernt, dass ich zusammen mit anderen mehr erreichen kann als alleine. Daher ist es meiner Meinung nach wichtig, sich ein Netzwerk aufzubauen, um u.a. Forschungsprojekte gemeinsam durchführen zu können. Als Professorin sollten Sie also ein guter Teamplayer sein und andere für Ihre Themen begeistern können.
Bevor Sie Professorin wurden, haben Sie für einen längeren Zeitraum bei GESIS (Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften) gearbeitet. Für welchen Fachbereich waren Sie dort zuständig? Welche Aufgaben haben Sie dort übernommen?
Ich arbeitete bei GESIS im Bereich der Umfragemethodik. Generell faszinierte mich dort die Forschungsfreiheit, die ich hatte. Ich konnte selbständig Drittmittelanträge erstellen und somit eigene Forschungsprojekte an Land ziehen. In einem der genehmigten Projekte erforschten wir zum Beispiel die Fälschung von Umfragen. Darüber hinaus war ich in der Beratung tätig, d.h. dass ich WissenschaftlerInnen bei ihren Forschungsprojekten unterstützte. Ich begleitete also den Forschungsprozess verschiedener Projekte von der Stichprobe bis hin zur Interpretation der Ergebnisse. Ein großer Vorteil davon war, dass ich durch die Beratung auf Forschungslücken stieß und eigene Forschungsideen entwickeln konnte. Außerdem hatte ich bei GESIS die Möglichkeit, GastprofessorInnen aus aller Welt einzuladen. Dies hat mir großen Spaß gemacht! Denn dadurch konnte ich mir ein internationales Netzwerk aufbauen und mit internationalen WissenschafterInnen kooperieren.
In der Wissenschaft spielen Publikationen eine zentrale Rolle. Oft wird dabei die Kritik angeführt, dass WissenschaftlerInnen unter einem (zu) hohen Publikationsdruck stehen würden. Wie stehen Sie dazu?
Ich sehe das ehrlich gesagt weniger kritisch. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass Publikationen sehr wichtig sind! Denn als WissenschaftlerIn zeichnen sie sich über Veröffentlichungen aus. Nur wenn Sie Ihre Ergebnisse veröffentlichen, werden Sie sichtbar – das ist ein ganz zentraler Punkt in diesem Feld. Durch Ihre Publikationen können Sie auch andere WissenschaftlerInnen inspirieren und tragen dazu bei, dass Ihre Forschung fortgesetzt werden kann. Ich empfehle an dieser Stelle auch, auf Englisch zu publizieren, denn damit vergrößern Sie Ihre Reichweite. Zwar ist der Weg zu einer Veröffentlichung in einem international angesehen Journal nicht unbedingt einfach. Jedoch ist das Feedback der ReviewerInnen oft sehr hilfreich: sie weisen auf Punkte in der eigenen Arbeit hin, die man überdenken und überarbeiten sollte. Der Dialog mit den GutachterInnen ist für die eigene wissenschaftliche Weiterentwicklung also von besonderer Bedeutung. Trotz allem muss man lernen, professionell mit Ablehnung umgehen zu können.
Sie sind nicht nur Professorin, sondern auch Mutter von zwei Kindern. Wie vereinbaren Sie Familie und Beruf?
Das ist nicht immer einfach (gewesen), aber machbar. Man findet immer einen Weg. An dieser Stelle möchte ich jedoch betonen, dass ich es alleine nicht geschafft hätte. Es gab und gibt neben mir viele Bezugspersonen für meine Kinder. Sie waren schon früh in der Ganztagsbetreuung. Außerdem übernimmt mein Ehemann einen großen Teil. Darüber hinaus sind die Großeltern eine wichtige Stütze. Ich sehe jedoch großen Nachholbedarf in dieser Hinsicht: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss optimiert werden. Die Erziehungszeit der Eltern sollte viel mehr als bisher anerkannt werden. Da reicht es nicht, die wenige Auszeit, die man sich nimmt, in Betracht zu ziehen.
Welche Tipps würden Sie Nachwuchs-WissenschaftlerInnen geben, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben?
Mein Tipp wäre: Überlegen und zögern Sie nicht zu lange. Schauen Sie, was Ihnen Spaß macht, und legen Sie los! Haben Sie Mut und seien sie ruhig selbstbewusst! Wenn Sie als Doktorandin angenommen worden sind, haben Sie schon einiges gemeistert! Dann können Sie auch darauf vertrauen, dass Sie die zukünftigen Schritte ebenfalls schaffen werden.